PICNIC 2024

Sa. 04.05. - So. 12.05.2024

Thema: Parallelität

Ort: Malschule, Göhrener Str. 4, 10437 Berlin                                                 

Programm:

Sa. 04. Mai

16-18.00 Uhr Gesangsritual mit Alena und Goloka
18.30 Uhr Abendessen, bitte etwas zu Essen mitbringen
19.30 Uhr Parallelität. Diskussion zum Thema. Danach freies Arbeiten

So. 05. Mai - Fr. 10. Mai

freies Arbeiten in der Malschule nach Absprache

Sa. 11. Mai

11.00 Anfang der 24-Stunden-Arbeit

So. 12.Mai

11.00 Ende der 24-Stunden-Arbeit
 

Präsentation oder Nachbesprechung der Ergebnisse nach Absprache und je nach Beteiligung.

Kosten: einmalig 50€ Unkosten der Malschule. 25€ für diejenigen, die nicht in der Malschule arbeiten.

Anmeldung: Ihr könnt euch ab sofort per E-mail an post@kunstschule-prib.de für die Teilnahme anmelden.

Die Teilnahme muss nicht über den gesamten Zeitraum des Projektes erfolgen.

Näheres zum Thema:

PARALLELITÄT

Parallelität ist das letzte Thema im Vierjahreszyklus des Kunstprojektes Picnic. Da es in einem Zyklus kein Ende ohne Verbindung zum Anfang geben kann, stellt Parallelität nicht nur eine Verbindung zum Thema Kreis her, sondern liefert auch einen Schlüssel, um die drei vorherigen Themen in einem bestimmten Sinne aufeinander zu beziehen und zu verstehen. Parallelität erzeugt Spannung. Alles was in der Natur geschieht, alles was der Mensch denkt und tut, hat mit dieser Eigenschaft zu tun. Es ist ein grundlegendes, alles verbindendes Gesetz oder Verfahren des kosmischen Aufbaus. Es ist ein Gesetz der Einstimmung von Allem auf das Ganze. Parallelität ist die Art und Weise, wie das Kleinste mit dem Größten, das Nächste mit dem am weitesten Entfernten in Verbindung bleibt. Das Gesetz, das alles in der Vertikale sowie in der Horizontale miteinander verbindet. Es ist das Ordnungsprinzip im Prozess des Wachstums und der Einswerdung. 
»Zeichne einen Tisch und ich sage, wer du bist«  war ein beliebter Spruch einer meiner Studienfreunde. Die ganze Menschheitsgeschichte kann man in Kulturepochen anhand der Darstellung der Tischfläche, also der Parallellinien untergliedern. Die Alten Ägypter würden einfach einen Rechteck oder zwei horizontale Striche ziehen, Alte Chinesen ein Parallelogramm, die Byzantiner – mit einer Verkürzung nach vorne und der Renaissancemensch mit Verkürzung nach hinten zeichnen. Alte Systeme gingen davon aus, dass in die Tiefe verlaufende Linien, und damit auch Parallelen in der »Unendlichkeit« zu ihrem Anfang zurückfinden. Deswegen haben sie die Tiefe ganz anders als wir heute wahrgenommen und interpretiert. Und zwar haben sie die Tiefe mit der Zeit, mit Kreisbewegung in Verbindung  gebracht. Die Zeit war die ausschlaggebende Größe, an der sich das Räumliche orientierte. Parallele Linien waren in ihrer Ganzheit konzentrische Kreise. Zwischenraum hat man als Raumzeit, und Transzendenz als einen Sprung von einem Zwischenraum zu dem anderen zur Mitte gerichtet vorgestellt. 
Der Mensch sieht die Welt in der Ansicht, Gott in der Draufsicht. Eine Horizontale in der Ansicht ist ein Kreis in der Draufsicht.
Diese Figur mit mehreren konzentrischen Kreisen kann man als eine Draufsicht eines Stufenkegels verstehen. Der Stufenkegel verhält sich zur Stufenpyramide genau so wie der Kreis zum Quadrat. Die Stufenpyramide ist eine der ältesten Kunstbauwerke der Menschheit. Die Stufe symbolisiert die Verbindung von Oben und 
Unten, und die Stufenpyramide – den inneren Wachstum des Menschen, die Verbindung von Mensch und Gott.
Die vier oben genannten Darstellungsweisen der Tischfläche stellen verschiedene Verbindungen von Zeit und Raum dar. Jede hatte einen anderen Schwerpunkt. Es ist zu beobachten, dass die Bedeutung des Raumes im Laufe der Geschichte zunimmt und die der Zeitlichkeit abnimmt. 
Wenn die Alten Ägypter den Raum in Form von Projektionen der Zeit der Kreisbewegung unterordneten und ihr Handeln mit ganz großen Zeitzyklen wie das Weltjahr (ca. 26.000 J.) in Übereinstimmung brachten, verzichtet der Renaissancemensch auf die Zeitdimension fast gänzlich und postuliert mit dem Fluchtpunkt die sogenannte Unendlichkeit der Raumtiefe. Damit hat das Zyklische seine Bedeutung eingebüßt, der Mensch verlor die Orientierung in der Zeit und versuchte, dies mit der Inanspruchnahme des Raumes zu kompensieren. Diese Inanspruchnahme äußert sich aus unserer Sicht in der Überproduktion von Wissen. Die Natur des Wissens ist anscheinend räumlichen Ursprungs. Es fehlt ihm die zeitliche Dimension, die Weitsichtigkeit. Das Wissen, bereichert mit Zeitlichkeit, nennt man Weisheit. Es war ursprünglich die Aufgabe der Theologie, Philosophie und der Kunst, das neue Wissen mit der Zeitlichkeit zu bereichern, in das Zyklische, in den Kreislauf der Ganzheitlichkeit aufzunehmen. Ganzheitlichkeit ist für mich eine Parallelbewegung von Leben und Tod. Die Verbindung von Leben und Tod ist der rote Faden, der bei Geburt angelegt wird und der das Ganze, den Kreis in zwei Hälfte teilt. Die obere Hälfte steht für die Lebenszeit, die untere für das Lebensbewusstsein. Ganzheitlichkeit entsteht dann, wenn jedem Punkt der Lebenszeit ein Punkt des Lebensbewusstseins gegenüber liegt. Bereits seit der Neuzeit versucht der Mensch, bewusst den Anschluss an den Kreislauf, an den Sinn und Bedeutung der Wiederkehr, an die Ganzheitlichkeit wieder zu bekommen. Auf die Bildende Kunst bezogen, sucht er nach einer neuen Perspektive, die der Zeitdimension ihre Würde zurück gibt. 
Bei dem Thema Parallelität geht es genau um diese Fragen. Wie soll man, oder wie kann man die Tischfläche zeichnen? Wie soll man, oder wie kann man den Zusammenhang von Sichtbarem und Unsichtbarem, von Leben und Bewusstsein, von Dauer und Kreislauf, von Raum und Zeit denken und darstellen? 
Diesen Fragen nachzugehen ist schwer möglich, ohne sich zuerst mit der Dimensionalität der Bildfläche bzw. der Wand auseinandergesetzt zu haben. Die Wand ist ein grundlegendes Kulturgut, eine flächige Raumbegrenzung oder ein Raumteiler. Sie teilt den Raum, um einen Unterschied herzustellen: den Unterschied zwischen dem Innen- und Außenraum. Bei Parallelkreisen ist jeder Zwischenraum in Bezug zum Außenliegenden ein Innenraum und zum Innenliegenden ein Außenraum. Genauso verhält es sich auch bei der Wand, sie hat eine Innen- und eine Außenseite. Sakralgebäude des Altertums sind auf dem Prinzip der Parallelkreise oder -rechtecke gebaut. Im Inneren solch einer Struktur befand sich der Altar oder der Reliquienraum. Diese Kreisstruktur stellt einen langsamen, stufenartigen Übergang von der Außenwelt zum Altar dar. Jede Stufe entspricht einer Einweihungsstufe in das Wesen der Kreisbewegung. Die Wand in so einer Struktur ist gleichzeitig eine Bildwand. Um sich das ganze Bild anzuschauen, müsste man einmal um den Kreis laufen. Schauen und gleichzeitig im Kreis laufen. Wie die Erde um die Sonne kreist und sie bewundert, so auch der Betrachter, er kreiste um das Zentrum mit dem Altarraum und versuchte, in die Botschaft der Darstellung einzudringen. Darstellungen auf so einer Bildwand haben den Zweck, den Menschen auf die nächste Stufe, nächsten Zwischenraum vorzubereiten. Das nur auf einen Wandteil begrenztes Bild, oder später das tragbare Bild kann man sich als Fragment aus der Wandabwicklung vorstellen. Oder aber als Komprimierung, Neuzusammensetzung der Inhalte von der ganzen Bildwand auf eine von links und rechts begrenzte Bildfläche, so wie wir sie seit langem kennen. Bei der Komprimierung suchte man nach einer neuen Erzählstruktur, die die Zeitlichkeit und das Nacheinander der Bildfolge, die durch den im Kreis laufenden Betrachter entstanden, aufrechterhält. Durch den unbeweglichen Betrachter und durch die in einem Blickfeld überschaubare Bildfläche bekam die Raumtiefe des Bildes eine größere Wirksamkeit, die ebenfalls einer inhaltlichen sowie bildkonstruktiven Antwort bedarf. Anders gesagt, das Bild müsste den einst gegebenen Kreislauf des Betrachters um das Bild in sich aufnehmen, den Betrachter nur mit bildnerisch-kompositorischen Mitteln im Bild kreisen lassen sowie eine Zeitlichkeit durch Komprimierung aus mehreren Positionen in die Darstellung von Dingen, vor allem Menschen einbeziehen (Stichwort Drehung). Raum und Figuren müssten eine Drehung erfahren, um in der Zeit zu sein. 
Mit dem Thema Parallelität sind wir mit vielen Aspekten der bildenden Kunst konfrontiert, aber vor allem mit dem Sinn, der Bedeutung und dem Zauber der sogenannten Zweidimensionalität der Bildfläche, die auf ihre Renaissance und Neuinterpretation in der zeitgenössischen Kunst noch wartet.